Demografische Entwicklung Rede von Christina Bosse auf der Betriebsversammlung am 8. November 2007 |
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Mit dem letzten Bericht kurz vor der Pause heiße ich Sie nun auch im Namen der AUB herzlich willkommen zur Betriebsversammlung. Ich stand kürzlich vor einem Plakat, auf dem das Gesicht einer attraktiven Frau abgebildet war. Bildüberschrift: "Sie hat Angst vorm Älterwerden". Andere wären glücklich darüber." Dieses Bild hat mich echt beschäftigt. Ich hab mich auch gefragt: Was bedeutet älter werden für mich eigentlich? Freue ich mich darauf? Hab ich Angst davor? Ich weiß nicht, wie Ihnen geht: Machen Sie sich Sorgen oder haben Sie vorgesorgt? Tatsache ist, so sagt es das statistische Bundesamt: wir werden immer älter! Das ist auf der einen Seite grundsätzlich ganz schön, aber es klingt irgendwie auch bedrohlich. Immer älter werden heißt ja auch: ich sollte dafür sorgen, dass ich möglichst lange auch gesund bleibe? Das heißt auch, mein Geld muss länger reichen. Und es heißt konsequenterweise auch: ich muss länger arbeiten. Sie wissen schon worauf ich hinaus will: jede Zeit hat seine eigenen Mode- oder Trendbegriffe: wir reden heute vom demografischen Wandel. Auch Siemens hat den Trend erkannt. Bei uns ist das sogar ein Megatrend. Das heißt nicht automatisch dass diese Erkenntnis auch nach innen wirkt, also zum Beispiel Auswirkungen auf unsere Personalpolitik hat. Allerdings kann man durchaus nicht leugnen, dass sich gewisse Trends im Umdenken abzeichnen. Gut so, denn der demografische Wandel ist kein fernes Zukunftsszenario, sondern bereits Fakt:
Ich habe hier nur eine willkürliche Auswahl statistischer Erhebungen dargestellt, um ihnen einen Eindruck zu vermitteln, womit wir es hier zu tun haben. Was heißt demografischer Wandel für Siemens, für TS? Es handelt sich hierbei aus meiner Sicht um ein ganzheitliches Thema mit vielen Aspekten, damit eng verknüpft ist z.B. der Mangel an jungen Arbeitskräften, die wir im Wettbewerb mit anderen Unternehmen für uns gewinnen wollen und müssen. Auch die "Rente mit 67" ist einer Folge dieser Entwicklung. Aus meiner Sicht gibt es verschiedene Handlungsbedarfe, auf die wir uns einstellen, denen wir uns stellen müssen, so z.B. 1. Qualifizierung und Weiterbildung: Bisher galt Weiterbildung auch als Mittel zum Zweck, als Mittel zum Vorwärtskommen. Mit Sicherheit wird aber früher oder später die kontinuierliche Weiterbildung das Mittel zum Zweck, nämlich als Mittel zur Arbeitsfähigkeitserhaltung sein. Es wird hier auch gern vom lebenslangen Lernen gesprochen. Leichter gesagt als getan. Ältere Mitarbeiter haben oft das Gefühl, sie können nicht mehr schnell genug Wissen aufnehmen und verarbeiten. Ihr Wissen "veraltet" und ihr Erfahrungswissen wird nicht systematisch eingesetzt. Um also die Anforderung nach kontinuierlicher Weiterbildung zu erfüllen, müssen auch maßgeschneiderte, altersgerechte Schulungen angeboten werden. Ebenso wichtig ist es, Mitarbeiter dort einzusetzen, wo sie ihre Stärken haben, bei älteren Mitarbeiter eben auch dort, wo es auf Lebenserfahrung und implizites Wissen ankommt. Mit implizit ist gemeint: Wissen, das nicht in Büchern steht, sondern in der Praxis gelernt. Mit gezielten altersgerechten Qualifizierungsmaßnahmen und alternsgerechten Arbeitsplätzen können gute Möglichkeiten geschaffen werden, das lebenslange Lernen erträglich und vielleicht auch verlockend zu machen. 2. Know-how Transfer Lebenslanges Lernen ist kein Selbstzweck und geschieht nicht (nur) aus Eigennutz. Das erworbene Wissen muss und will auch weitergegeben werden. Und es muss sichergestellt sein, dass kein Know-how verloren geht, wenn uns künftig die geburtenstarken Jahrgänge verlassen. Doch wie kann man Wissen identifizieren und wie systematisch weitergeben? Bisher scheint das hier eher zufällig zu verlaufen. Dabei gibt es einige sehr interessante Methoden, so zum Beispiel, die "Wissensbilanzen", eine Initiative des Fraunhofer Instituts, die sich mit der strategischen Bedeutung von Wissen für die Wertschöpfung und die Zukunftsfähigkeit einer Organisation beschäftigt. Wobei wir natürlich mit der "Wissenskette" bei RD aber auch mit dem wiki Piloten Safepedia im SAC einen guten Ansatz fahren. 3. Recruiting Ich sprach eingangs, von knapper werdenden jungen Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt, müsste aber auch schon ergänzen, dass ein Kampf um Talente bereits entbrannt ist. Klingt sicher ein wenig dramatisch, ist vielleicht noch nicht überall spürbar. Wie sonst lässt es sich erklären, dass es bei uns bis wenige Tage vor dieser BV üblich war, unsere Auszubildenden jeweils nur befristet zu übernehmen. Offenbar war der Marktdruck noch nicht groß genug, die Mitbewerber noch nicht scharf genug auf unsere frischen Talente. Das wird sich gewiss sehr bald ändern. Umso glücklicher sind wir darüber, dass hier ein Umdenken stattfindet und das Unternehmen inzwischen sehr viel bereitwilliger den Jungfacharbeitern unbefristete Verträge anbietet. Was sich allerdings seit Einführung von ERA in Schieflage befindet ist die Einstellung und Verlängerung von Werkstudentenverträgen. Es ist eigentlich unerträglich, dass wir hier mit zweierlei Maß messen und Studenten unterschiedlich behandeln. Wir sollten uns das nicht leisten, potentielle Fach- und Führungskräfte nicht wie "richtige Arbeitnehmer" zu behandeln. Wer für eine Einstellung in Frage kommt, sollte auch entsprechend der Tarifverträge bezahlt und behandelt werden - unabhängig davon, ob er nun IGM Mitglied ist oder nicht. Ich finde diese Regelung sehr, sehr ärgerlich und darüber hinaus schwer zu vermitteln. 4. Zusammenarbeit und Führung Unbestreitbar ist, dass das Führungsverhalten großen Einfluss auf die Entwicklung der Arbeitsfähigkeit hat. Gerade für ältere Mitarbeiter gelten andere Motivatoren als für jüngere Kollegen. Sie erwarten eher mehr Handlungsspielraum, mehr Eigenverantwortung, als Kontrolle oder Aufstiegsmöglichkeiten. In Mitarbeiter-Gesprächen kann man gezielt Qualifizierungs- und Gesundheitsmaßnahmen vereinbaren, Perspektiven bieten und Maßnahmen für einen alternsgerechten Arbeitsplatz festlegen. Weniger altersspezifisch sind Anerkennung, Wertschätzung und gesunde Arbeitsabläufe. Mittel und Möglichkeiten einer Führungskraft also, die ganz besonders vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung effektiv wirken. 5. Entwicklung und Karriere: Nun sollten die meisten von Ihnen glauben, dass der demografische Wandel sich positiv auf ihre Karriere auswirken wird - denn Sie und ihr Wissen, ihre Erfahrung wird länger gefragt sein. Trotzdem werden nicht wenige auch den Wunsch haben, spätestens mit 60 den Schreibtisch zu räumen. Andere wiederum haben vielleicht sogar Lust, mehr und länger zu arbeiten, zumal wenn sie keine familiären Verpflichtungen mehr haben. Einige wollen wohlmöglich in Tele- oder Teilzeitarbeit wechseln. In diesem Punkt stehen uns tatsächlich alle Möglichkeiten offen. Es sollte auch einer "späten Förderung", einer, wenn man so will, späten Entwicklung nichts im Wege stehen. Mit 40+ Karriereende - die Zeiten dürften eigentlich fast vorbei sein. Schließlich stehen hier ja noch mindestens 27 Jahre bevor…. Vor einigen Zeiten hieß es noch: wenn Du hier was werden willst, kannst Du nicht um 16.00Uhr nach Hause gehen. Interessanterweise gibt es eine ganz andere Kultur in Skandinavien. Wer da noch am frühen Abend im Büro sitzt wird gefragt: warum bist du denn noch hier? Hast Du zu Hause Probleme? So kann man es auch sehen… Auf unser Potenzial wird das Unternehmen jedenfalls sehr viel länger als bisher üblich, angewiesen bleiben. Und das kann auch eine gute Nachricht sein. 6. Gesundheitsförderung: Es gibt viele begeisterte Teilnehmer der Siemens-fit Initiative. Was die BÄD, also die medizinische Dienststelle hier leistet ist wirklich außerordentlich. Damit kann man auch nach außen richtig angeben! Als direkter Zimmernachbar zum Gymnastikraum hören wir täglich das rege Treiben nebenan, stöhnen und ächzen. Danach sieht man auf dem Flur entspannte Gesichter nach Kursen wie Massage, Gymnastik und Entspannung. Ich glaube, dass ich im Namen vieler Kollegen spreche, wenn ich mich hier ganz ausdrücklich für die so angebotsreiche, sehr fürsorgliche und super organisierte Gesundheitsvorsorge durch die BÄD aber auch durch die SBK bedanke. Zu diesem Thema aus meiner kein weiterer Handlungsbedarf! Abschied nehmen von unrealistischen Visionen Ich hoffe, sie können mit dem ein oder anderen Thema etwas anfangen, das ich hier herausgepickt habe. Ich glaube, der demografische Wandel ist eine große Herausforderung - für jeden persönlich aber ganz besonders auch für Unternehmen. Dieser Wandel erfordert aber auch einen weitgerichteten Blick in die Zukunft. Es wird leider nicht immer klar, wo und ob dieses Unternehmen bzw das Management eine Zukunft sieht. Es fehlt oft an Informationen, und wo Informationen fehlen, wird viel spekuliert und eine unsichere Stimmung verbreitet. Man kann also nicht zu viel kommunizieren. Es fällt eher auf wenn zu wenig passiert. Zugegebenermaßen ist es für einige von uns relativ schwierig, fränkisch zu verstehen. Herrn Dr. Besold hätte ich gesagt: Wir hätten aber gern die Chance, es zu lernen - allein uns fehlt die Praxis! Herr Dr. Besold ist heute aber nicht hier und so erwarte ich (wie sicher alle andere auch) mit Spannung auf den Bericht von ihnen, lieber Herr Schraut, und ich hoffe wir erfahren mehr als wir erwarten und weniger als wir befürchten. Sie können meine Rede wie gehabt von unserer Homepage unter www.AUB-Braunschweig.de herunterladen, nachlesen und wenn Sie mögen Fragen stellen. Ich bedanke mich nun herzlich für Ihre Aufmerksamkeit! |
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